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Depression

Aktualisiert: 11. Juli 2019



Allgemein


Depression ist eine Erkrankung, die sowohl mit einem Gefühl der Niedergeschlagenheit als

auch mit körperlichen und psychischen Störungen einhergeht. Dies kann sich beispielsweise in Schlafstörungen, Antriebslosigkeit und Verdauungsstörungen ausdrücken. Betroffene fühlen sich ihren Stimmungen ausgeliefert und wie gelähmt. Sie erleben alles Grau in Grau und fühlen sich beruflich wie privat überfordert. Schätzungsweise fünf Prozent der Bevölkerung leiden derzeit an einer behandlungsbedürftigen Depression. In Deutschland sind dies circa vier Millionen Menschen. Etwa drei bis vier Mal so groß ist jedoch die Zahl derjenigen, die irgendwann im Laufe des Lebens an einer Depression erkranken, wobei Frauen dabei doppelt so häufig betroffen sind wie Männer. Wer bereits einmal eine Depression durchlebt hat, hat ein erhöhtes Risiko, dass die Krankheit erneut auftritt.

Die Ursachen der Depression sind bis heute aus Sicht der klassischen Medizin unbekannt. Meist müssen mehrere innere und äußere Einflussfaktoren zusammenkommen, damit die Krankheit entsteht. Neben einer genetischen Veranlagung – es wird vermutet, dass die Neigung zur Depression zum Teil vererbbar ist – spielen bei Depressionen auch psychosoziale Aspekte eine Rolle.



Depression in Familienaufstellungen nach Hellinger

Es können verschiedene Dynamiken auftreten:

  • Nicht-Annehmen von den Eltern bzw. Verachtung eines wichtigen Familienmitglieds, oft eines Elternteils: Depression entsteht manchmal dadurch, dass bei dem Ratsuchenden eine wichtige Person keinen Platz in seinem Herzen hat. In der Regel handelt sich dabei um ein Elternteil, sei es durch frühen Tod, Trennung der Eltern mit Kontaktabbruch zu einem Elternteil, Weggabe des Kindes oder weil der Vater unbekannt ist. Wer Vater oder Mutter verachtet oder ausklammert, wird oft depressiv, weil die Hälfte der Lebensenergie verloren geht. Der Betroffene nimmt nicht von seinen Eltern, ist aber bereit, selbst in seinem Leben viel zu geben. Wer nur gibt, aber nicht nimmt, wird mit der Zeit innerlich leer. Die Depression kann behandelt werden, indem man den Eltern in Liebe, so wie sie sind, zustimmt. Meist aber verlangt die Lösung, dass die Großeltern mit aufgestellt werden, sodass die Eltern auch von ihren Eltern bekommen, was sie brauchen. Es geht darum, in der Reihe der Generationen die Stelle zu finden, an der der Fluss der Liebe unterbrochen wurde, um dort die Heilung anzuleiten. Wie immer bei Familiensystemen, kann die Dynamik von einer späteren Generation über­nommen werden: So kann es z. B. passieren, dass sich ein Mädchen, das mit der früheren Verlobten seines Vaters verstrickt ist, sich nicht zu seiner eigenen Mutter hinwenden kann und deshalb depressiv wird.

  • Früher Tod von Kindern und Fehlgeburten können eine weitere Ursache für Depressionen sein. Manche Mütter oder Geschwister neigen zu starken Depressionen oder verspüren sogar Todessehnsucht. Sie wollen dem toten Kind folgen, das heißt, auch sterben, um bei ihm zu sein (siehe dazu »Nachfolge«).

  • Leid in der Familie: Schwere Depressionen, die jemanden lebenslang begleiten, haben oft andere tiefe, systemische Ursachen. Meist hat die Familie großes Leid erlebt, z. B. weil (Groß-)Eltern in Konzentrationslagern umgekommen sind oder weil ein Geschwister durch einen schweren Unfall früh verstorben ist. Die Vergewaltigung der Mutter im Krieg wurde in Aufstellungen auch bereits als Ursache für eine Depression erkannt.

Depression in der Mehrgenerationalen Psychotraumatologie

Depressionen entstehen laut Franz Ruppert meistens durch ein Verlusttrauma. Sie stellen ei-

nen Ausdruck nicht bewältigten Abschieds, das heißt eine Auflösung oder erhebliche Schwächung der seelischen Bindung an geliebte Menschen dar. Dies geschieht insbesondere dann, wenn ein Kind in einer frühen Entwicklungsphase keine Bindungssicherheit zu seiner Mutter erleben konnte, weil der Bindungsprozess dramatisch gestört wurde. Dies kann insbesondere vorkommen:

  • wenn die Mutter für das Kind z. B. durch deren Tod oder die Freigabe zur Adoption verloren geht; zu solchen Reaktionen bei Verlust der Mutter kann es etwa bis zum 20. Lebensjahr des Kindes kommen,

  • bei einer Trennung von Mutter und Kind z. B. durch lange körperliche oder psychische Krankheit der Mutter,

  • bei einer gewaltsamen Trennung von Mutter und Kind z. B. in Kriegswirren, durch eine Heimeinweisung, oder weil die Mutter alkoholabhängig ist.

Durch das Trauma des Verlustes werden wesentliche Teile der kindlichen Psyche abgespalten. Es kommt zur Entstehung eines Trauma­Ichs (siehe dazu »(Spaltung in) Persönlichkeitsanteile«). Das Kind schafft es nicht, eine sichere Bindung zu seiner Mutter zu entwickeln. Es bleibt isoliert und verharrt in dem Grundgefühl des Traumaanteils, der Resignation und der Apathie, ohne Hoffnung, sich selbst aus der seelischen Isolation befreien zu können. Um den Kontakt mit den Traumagefühlen zu vermeiden, werden alle Gefühle nur »auf Sparflamme« gelebt – die positiven aber auch die negativen. Anstelle der

Gefühle tritt dann ein kontrollierender Verstand, der Prinzipien aufstellt, um unbeschadet

durch das Leben zu kommen. Das Leben wird damit aber zur Anstrengung und Last, ihm fehlt die Lust. Der Verlust eines Elternteiles wird zum Verlust im Leben. Durch aktuelle Ereig-

nisse wie Verlust- oder Trennungserfahrungen können abgespaltene Depressionsgefühle wieder hochkommen.Auch Mütter, die ein Kind verlieren, sei es durch Fehlgeburt, Abtreibung, Unfall, Krankheit, oder weil sie selbst nicht in der Lage sind, das Kind großzuziehen, geraten durch den Bindungsverlust in einen Zustand der Depressivität.


Übernommene Depressionen

Ein Verlusttrauma zieht seine Spur durch viele Generationen: Erleidet die Großmutter ein Verlusttrauma (z. B. den frühen Tod ihrer Mutter), wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch deren Tochter in eine depressive Entwicklung mit ihr verstrickt. Die Kinder nehmen die nicht gelebte Trauer ihrer Eltern oder sogar Großeltern als Gefühl in ihre eigenen psychischen Strukturen auf und werden depressiv.


Lösungsansatz

Die Ursache der Depression – das Verlusttrauma – muss gefunden werden und daher oft über mehrere Generationen zurückverfolgt werden. Dann gelangt man schließlich vom scheinbar unmotivierten Symptom zu seinem realen Ursprung, der in einer Aufstellung behandelt werden kann.

Für Ruppert macht es allerdings keinen Sinn, die von Bert Hellinger vorgeschlagene Methode, »die unterbrochene Hinbewegung zu vollenden«, bei Menschen mit schweren Depressionen, deren Mütter in einem Trauma gefangen sind, einzusetzen. In solchen Fällen muss das Trauma der Mutter erkannt werden, und der Ratsuchende sollte Abschied von dem Wunsch nehmen, der Mutter wie ein Kind emotional und körperlich nahe sein zu können. Dies führt zwar zunächst zu psychischen Schmerzen, schließlich jedoch zu einem Ablöseprozess, der in eine gesunde Trauer mündet. Damit entfällt für den Ratsuchenden auch die Fixierung auf den leidvollen Zustand seiner Mutter und das Bedürfnis, dieser helfen zu wollen. Auf diese Weise kann am ehesten aus der Distanz eine wohlwollende Beziehung zwischen Mutter und Kind entstehen.

Quellen: 38, 39

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