Erbe und Vererben
- Pierre & Alexandra Frot
- 1. Juli 2019
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 11. Juli 2019

Erben und Vererben in Familienaufstellungen nach Hellinger
Eine Erbschaft stellt oft eine heikle Angelegenheit in einer Familie dar. Wenn mehrere Kinder
erben, streiten sie häufig über ihre Anteile, vor allem, wenn ein Kind beim Erbe bevorzugt wurde. Ein solches Erbe wird dann leicht zu einem Fluch.
Aus Hellingers Sicht ist die Situation einfach: Kein Erbe ist verdient, und niemand hat ein
Anrecht auf das Erbe seiner Eltern. Alles, was die Eltern als Verlust erlitten oder als Verdienst
erworben haben, gehört ihnen persönlich. Die Folgen dieser persönlichen Taten gehören allein zum Schicksal der Eltern, und sie unterliegen ihrer Verantwortung.
Selbstverständlich gehören die vererbbaren Güter auch zum Persönlichen der Eltern, das sie
an die Kinder weitergeben können. Das müssen sie systemisch gesehen und ungeachtet der
juristischen Praxis jedoch nicht. Ein Erbe steht den Kindern nicht zu und sie haben keinen Anspruch auf den Nachlass. Wer ein Erbe zugesprochen bekommt, darf sich natürlich darüber freuen und dieses als Geschenk annehmen. Ein Kind allerdings, das auf sein Erbe wartet und es bereits einplant, wartet im Grunde auf den Tod seiner Eltern. Das stört die Bindung, weil die Liebe und die Achtung für die Eltern nicht mehr vorhanden sind.
Ansätze bei Erbschaftsproblemen
Ein Erbe wirkt wie Geld, das ohne eigene Gegenleistung verdient wurde. Es bleibt nicht. Sobald wir erkennen, dass wir kein Recht auf ein Erbe haben, werden wir frei. Wer es annimmt, muss mit ihm dienen, das heißt, man sollte das Erbe nutzen, allerdings mit dem Ziel, es in einem guten Sinn, im Dienst der Liebe weiterzuführen. Wenn jemand beim Erben benachteiligt wurde, ist es fast immer die beste Lösung, auf das Erbe ganz zu verzichten. Laut Bert Hellinger gibt es stets negative Auswirkungen, wenn jemand vor Gericht ein elterliches Erbe einklagt, z. B. von Geschwistern, die einen größeren Anteil erhalten haben. Angemessen in einem solchen Fall wäre es, innerlich loszulassen und sich zu sagen, dass man schließlich das Wichtigste von seinen Eltern erhalten habe: das Leben. Umgekehrt sollten Geschwister, die ungerechtfertigt zu viel von den Eltern erhalten haben, den
benachteiligten Geschwistern davon abgeben und das Ganze fair aufteilen. Wenn Eltern im
Affekt ungerechte Testamente aufsetzen und dadurch Familienmitglieder ausgrenzen, liegt
es in der Verantwortung der Erben, durch eine ausgeglichene Aufteilung den Familienfrieden wiederherzustellen. Aufstellungen zeigen, dass die verstorbenen Eltern in der Regel positiv darauf reagieren.
Sehr häufig beansprucht die zweite Frau eines Mannes das Erbe für sich und für ihre Kinder
aus der zweiten Ehe, und die Kinder aus der ersten Ehe werden ausgeschlossen. Aus systemischer Sicht haben jedoch die Kinder aus der ersten Ehe Vorrang. Die Folgen können daher negativ sein, wenn die zweite Frau und deren Kinder dieses Erbe beanspruchen.
Manchmal stehen Erbschaftsstreitigkeiten stellvertretend für einen anderen, tieferen Streit im
Familiensystem, der in den Verstrickungen der Beteiligten untereinander weiterlebt. Wichtig
ist dann zu prüfen, welche »Geschichte« das Erbstück hat und ob sich ein Geschehen aus
einer früheren Generation wiederholt oder ob jemand nicht genügend gewürdigt wurde.
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