Phänomenologische Grundhaltung des Aufstellungsleiters
- Pierre & Alexandra Frot
- 8. Juli 2019
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 11. Juli 2019

Die Aufstellungsarbeit ist aus Sicht Bert Hellingers eine phänomenologische Arbeit (siehe
dazu »Phänomenologie«). Der Aufstellungsleiter setzt sich offen ohne persönliche Absicht der Wirklichkeit aus, wartet, was diese Wirklichkeit – in einer Aufstellung repräsentiert durch die Stellvertreter – zeigt, und handelt dementsprechend, ohne darüber nachzudenken. Die Kraft kommt dabei aus der Wirklichkeit selbst und nicht etwa aus dem Wissen des Aufstellungsleiters, sondern eher aus seiner Bereitschaft und seinem Mut, sich dem Nicht-Wissen auszuliefern. Bert Hellinger sagt dazu mit Bezug auf den altchinesischen Weisen Laotse, dass der Aufsteller sich »in seine leere Mitte« zurückziehen und von dort aus auf den Ratsuchenden und sein System »schauen« sollte. Er beschreibt die Arbeit des Aufstellungsleiters als »passives Tun« oder »aktives Nichtstun« und sagt dazu weiter: »Alles ist gleich, nichts ist besser, nichts ist schlechter, alles ist gleich. Weil ich in dieser Haltung bin, ohne Absicht und ohne Furcht, kommt mir aus der Fülle der Phänomene, auf die ich schaue, etwas entgegen. Etwas zeigt sich mir plötzlich, und ich erfasse das Wesentliche, auf das es ankommt«.
Die phänomenologische Haltung ist passiv, das Schauen ist eher ein Anschauen von dem, was sich zeigen will. Bert Hellinger hat drei Grundsätze für die innere Haltung des Aufstellungsleiters im phänomenologischen Prozess definiert: ohne Furcht, ohne Absicht und ohne Liebe.
Ohne Furcht
Dies bedeutet, dass der Aufstellungsleiter nicht versuchen darf, das, was bei der Aufstellung herauskommt, in irgendeiner Weise abzumildern. Viele Aufsteller, Coaches und Therapeuten vertreten die Ansicht, dass sie für den Ratsuchenden eine gewisse Verantwortung tragen und ihm deshalb nicht immer die ganze Wahrheit oder ihre wirkliche Wahrnehmung mitteilen dürfen oder zumindest sehr sorgsam in ihrer Wortwahl sein müssen. Das bedeutet z. B., harte Einsichten »weich« zu verpacken. Hellinger sieht darin sowohl eine Unterschätzung und Missachtung der Eigenständigkeit und der Würde des Ratsuchenden als auch die persönliche Angst des Aufstellungsleiters vor der Wahrheit: Nicht der Ratsuchende, so Hellinger, hält die volle Wahrheit nicht aus, sondern der Aufstellungsleiter. Wenn der Aufstellungsleiter also die Wahrnehmung hat, dass beispielsweise jemand sterben oder
verrückt werden wird, dann muss er dies sagen, und zwar exakt so, wie er es wahrgenommen
hat. Nur so bleibt er laut Hellinger in Kontakt mit der Wirklichkeit, die sich zeigt, und nur so
bleibt der Prozess kraftvoll.
Ohne Absicht
Der Aufstellungsleiter darf nicht auf ein bestimmtes Ziel hinarbeiten, wie z. B. eine Ehe
oder ein Leben zu retten. Damit eine Aufstellung gelingt, muss sich auch der Leiter von seinen Absichten und Bildern lösen und ohne eine bestimmte Erwartungshaltung und ohne Hoffnung auf einen Gewinn aufstellen. Erst unter diesen Voraussetzungen ist das Aufstellen wirklich frei und ermöglicht Klarheit.
Ohne Liebe
Der Aufstellungsleiter muss dem Klienten mit offenem Herzen begegnen und mit seiner Seele in liebendem Kontakt sein. Allerdings darf er kein Mitleid mit dem Ratsuchenden empfinden, und er darf mit ihm nicht auf der persönlichen Ebene kooperieren.
Quellen: 149
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