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Psychose

Aktualisiert: 11. Juli 2019


Allgemein

Als Psychose bezeichnet man eine schwere psychische Störung, die mit einem zeitweiligen

weitgehenden Verlust des Realitätsbezugs, der sozialen und beruflichen Funktionsfähigkeit

und oft der Ich-Identität einhergeht.Aus medizinischer Sicht sind die Ursachen von nichtorganischen Psychosen bis heute nicht bekannt. Familiäre Häufungen – über 50 Prozent Wahrscheinlichkeit, an einer schizophrenen Psychose zu erkranken, wenn beide Eltern erkrankt sind – sprechen aus Sicht der klassischen Medizin für genetische Faktoren. Bei systemischen Therapeuten wird hier eher eine mehrgenerationale Systemstörung vermutet.

Psychose in Familienaufstellungen »nach Hellinger«


Schwere Schuld innerhalb des Familiensystems ist laut Bert Hellinger häufig die Ursache von

Psychosen. In einer Aufstellung vertritt die Psychose meistens einen Täter und der Psychotiker ein Opfer. Die Mitglieder einer Familie zeigen gegenüber einer Psychose deswegen oft die gleiche innere Haltung mit Ausschluss und Angst wie gegenüber einem Täter. Nach dem die Psychose auslösenden Ereignis, also häufig einem Mord innerhalb der Familie, muss laut Hellinger in jeder Generation danach ein Familienmitglied psychotisch werden. Diese Dynamik lässt sich auch häufig beobachten, wenn der Vater oder der Großvater schuldhaft in das Nazi-Regime verstrickt war und sich seiner Schuld

nicht stellt. Ein anderer Hintergrund für Psychosen kann manchmal die Identifizierung eines Kindes mit einem früheren Partner eines Elternteils sein, z. B. wenn dieser ein besonders schlimmes Schicksal erlitten hat oder wenn das Kind einen gegengeschlechtlichen Partner vertreten muss.


Lösungsansatz

Die ursprüngliche Störung im System muss gefunden und die Verstrickungen aufgelöst werden (siehe dazu »Verstrickung«).


Kritik am Ansatz von Bert Hellinger

Der Heilungserfolg von klassischen Familienaufstellungen bei Psychosen bleibt sehr bescheiden. Gunthard Weber sagt dazu: »Wir haben 17 Teilnehmer eines Psychoseseminars von Bert Hellinger in Wiesloch, in dem er mit seinen Hypothesen gearbeitet hat, ein Jahr nach dem Seminar befragt. Das Ergebnis war, was das psychotische Verhalten betrifft, katastrophal. Das Seminar hatte nur bei zwei Patienten positive Nachwirkungen auf ihre Beziehungen und auf das psychotische Verhalten keinen Einfluss.« Der Psychiater Robert Langlotz sagt dazu: »Das Familienstellen in der herkömmlichen Form zeigte [für Psychose] nur mäßige Wirkung«. Für ihn sind klassische Familienaufstellungen für psychotische Klienten nicht geeignet. Im Gegenteil: Wenn der Ratsuchende einem »ausgeklammerten« Familienmitglied, mit dem er unbewusst identifiziert ist, »einen Platz im Herzen« geben soll, belastet dies den Ratsuchenden zusätzlich.


Psychose und Schizophrenie in der Mehrgenerationalen Psychotraumatologie


Franz Ruppert versteht Psychosen und Schizophrenie als psychische Symptome, die auf einen realen psychischen Zusammenhang verweisen, der im Moment jedoch nicht mehr unmittelbar erkennbar ist. Für ihn sind Psychosen nur im Rahmen eines mehrgenerationalen Ansatzes zu betrachten. Dabei stellte er fest, dass sie häufig als Konsequenz von tabuisierten Taten im Familiensystem auftraten, wie z. B. bei:

  • tödlichen Bedrohungen durch einen anderen Menschen, zu dem eine emotionale Bindung besteht,

  • sexuellem Missbrauch innerhalb der Familie,

  • nicht wiedergutzumachenden Taten, wie z. B. dem Mord an Systemangehörigen (insbesondere bei Schizophrenie).

Franz Ruppert spricht dabei von Bindungssystemtraumata, wenn eine begangene Tat mit

einem so hohen Anteil von Angst, Schuld und Scham belastet ist, dass niemand in der Familie darüber spricht. Er geht von einer Mehrgenerationenabfolge beim Entstehen von psychotischen Verwirrungen aus: Die Generation, in der sich die Tat ereignet hat, verschweigt und verdrängt ganz bewusst das Trauma, während die Generation danach nur noch unbewusst spürt, dass es etwas gab. Was es war, kann sie aber nicht mehr benennen. Die darauffolgende Generation nimmt die abgespaltenen Schuldund Schamgefühle bei den Eltern wahr und wird dadurch verunsichert. Oft tauchen solche Familientraumata

erst wieder auf, wenn eine starke emotionale Erfahrung in einer der nachfolgenden

Generation gemacht wird, z. B. bei einem plötzlichen Tod oder durch Drogenkonsum.

Schizophrenie: Mit der Flucht in die Schizophrenie wird versucht, unerträgliche Traumata

innerlich anders zu besetzen, sie anders darzustellen oder ihren Sinn zu entfremden. Der

Verstand der Person verweigert die Realität, weil durch das Ausmaß dessen, was geschehen

ist, kein sinnvolles Leben mehr möglich ist. Die normale Wahrnehmung wird durch unklares

und wirres Denken ersetzt. Psychose: Bei einer Psychose hat der Mensch den Bezug zu sich selbst und zur Realität verloren. Während eines psychotischen Schubs kann er nicht mehr unterscheiden, ob er er selbst oder jemand anders ist und was er wirklich erlebt und was nicht. Er taucht völlig in das Trauma der Person ein, mit der er symbiotisch verstrickt ist. Es verliert dabei das Gefühl für seine eigene Identität.


Lösungsansatz

Für den Ratsuchenden muss das Trauma zunächst benannt werden. Anschließend wird ihm

klargemacht, dass er in ein ihm unbekanntes Familientrauma verstrickt ist. Eine Rekonstruktion des Traumas ist nicht notwendig, sondern das Wissen, dass es ein Familiengeheimnis gab, reicht in der Regel aus, um die Bindung zu lösen. Eltern müssen zunächst an ihren eigenen Traumata arbeiten, weil auch sie symbiotisch verstrickt sind, bevor sie ihren Kindern helfen können. Im Gegensatz zu Bert Hellinger, der rät, die Eltern anzunehmen (siehe »Eltern-Kind-Bindung«), sollte sich der Ratsuchende laut Ruppert

aus seinem Herkunftssystem zurückziehen, um sich aus den Verstrickungen seiner Familie

zu lösen. Dazu gehört auch, dass er auf die Zugehörigkeit zur Familie verzichtet, denn diese ist nur dann möglich, wenn er selbst verwirrt ist und sich innerlich aufspaltet. Besonders Kinder sind bereit, »verrückt zu werden«, nur um dazuzugehören. Dem Ratsuchenden muss klargemacht werden, dass er sich von seiner Wunschvorstellung lösen muss, einen wirklichen Kontakt mit dem traumatisierten Elternteil aufbauen zu können.

Quellen: 153

Querverweise: »Krankheit«.

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