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Symbiose und symbiotischeVerstrickung

  • Autorenbild: Pierre & Alexandra Frot
    Pierre & Alexandra Frot
  • 8. Juli 2019
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 11. Juli 2019



Symbiose

Als Symbiose bezeichnet man das Zusammenleben verschiedener Lebewesen, bei dem dadurch alle einen Vorteil erlangen. In der Psychologie spricht man von einer Symbiose, um die Abhängigkeit von Menschen untereinander zu beschreiben. Menschen leben laut Franz Ruppert in zahlreichen Symbioseformen: mit der Mutter, dem Vater, den Geschwistern, den anderen Verwandten oder dem Clan, mit Nicht-Verwandten wie z. B. gleichaltrigen Freunden, Cliquen, Vereinen, Organisationen, Nationen, Partnern usw. Er unterscheidet dabei zwischen:

  • konstruktiven Symbiosen, die allen Beteiligten nutzen, in denen das Geben und Nehmen im Gleichgewicht ist und die auf einer gesunden Form von Liebe aufbauen. Konstruktive Symbiosen ermöglichen Veränderungs- und Entwicklungsprozesse. Es darf Streit und Meinungsverschiedenheiten geben, aber keine Unterwerfung. Für Franz Ruppert basiert die konstruktive Symbiose auf den gesunden psychischen Anteilen von Menschen.

  • destruktiven Symbiosen, die auf Dominanz und Unterdrückung basieren und die nach dem Motto »Du sollst für mich da sein« funktionieren. Aggressionen – seien sie durch physische oder psychische Druckmittel – sind in destruktiven Symbiosen immer präsent, und die Gefühle sind immer destruktiv, sogar die Liebesgefühle, weil diese Liebe besitzen möchte und sich an den anderen anklammert.

Laut Franz Ruppert entstehen destruktive Symbiosen, wenn sich traumatisierte Menschen begegnen und sich in ihren Überlebensstrategien voneinander abhängig machen.

Die Trauma- und Überlebensstrategien in destruktiven symbiotischen Beziehungen schaffen Denk- und Redetabus, unterwerfen den anderen den eigenen Kontrollstrategien, erzeugen fortwährend nicht lösbare Konflikte und bauen Illusionen über die Qualität der Beziehung auf.


Symbiotische Verstrickung

Franz Ruppert spricht bei Verstrickungen von symbiotischen Verstrickungen. Als symbiotische Verstrickung bezeichnet er »Beziehungsformen, in denen die Beziehungspartner voneinander nicht das bekommen, was sie brauchen und möchten (Liebe, Fürsorge, Halt, usw.) und in denen sie sich trotz aller Konflikte, die sie miteinander haben, nicht voneinander lösen können«. Die Hauptmerkmale symbiotischer Verstrickungen sind:

  • sich an den anderen klammern und ihn mit aller Macht festhalten,

  • den anderen zurückweisen, wenn seine Nähe zu viel und seine Ansprüche zu groß werden,

  • sich wieder annähern, wenn die eigene Angst, die innere Isolation und Einsamkeit zu übermächtig werden,

  • den anderen anklagen, ihn beschuldigen, sich mit ihm heftig streiten und ihm immer wieder trotzdem verzeihen,

  • kein Ende der Beziehung finden und bis zum bitteren Ende zusammenbleiben.

Symbiotische Verstrickungen existieren dort, wo Symbiosebedürfnisse vorhanden sind: vor allem zwischen Eltern und Kindern (siehe »Eltern-Kind-Bindung«), aber auch zwischen Geschwistern, bei Paaren (siehe »Paarbindung«) und in der ganzen Familie. Symbiotische Verstrickungen entstehen laut Ruppert auch zwischen Täter und Opfer (siehe »Täter-Opfer-Bindung«), in Unternehmen, in Vereinen und auf nationaler Ebene.


Ursachen für symbiotische Verstrickungen

Jeder Mensch entwickelt normalerweise im Verlauf seines Lebens einen eigenen Gefühls-,

Empfindungs- und Erlebensraum. Diese innere Beziehung zu sich selbst entwickelt sich in den ersten Lebensjahren und wird von den Eltern, in erster Linie der Mutter, gefördert. Dies gelingt allerdings nur dann, wenn auch sie nicht traumatisiert sind und ihren eigenen inneren Raum gefunden haben. Laut Ruppert geraten Kinder beim Versuch, sich an traumatisierte Eltern zu binden, in ein Bindungs- bzw. Symbiosetrauma (siehe dazu auch »Trauma«). Als Überlebensstrategie identifizieren sich die Kinder dann in ihrer symbiotischen Bedürftigkeit nach Sicherheit und Halt bei Mutter und Vater unbewusst mit deren Überlebensmechanismen (siehe dazu »(Spaltung in) Persönlichkeitsanteile«). Weil die

traumatisierten Eltern kein zuverlässiger Spiegel für ihre eigenen psychischen Regungen sein

können, können symbiotisch verstrickte Kinder nicht zwischen ihren eigenen Empfindungen

und Denkmuster und denen ihrer Eltern unterscheiden. Sie können zwischen eigenen und

übernommenen Gefühlen nicht mehr differenzieren und leben in einer fremden Identität.


Konsequenzen

Symbiotische Verstrickungen, die von dem Betroffenen zunächst oft als besondere »soziale

Verbundenheit« oder als »Liebe« missverstanden werden, blockieren die Entwicklung der

eigenen Autonomie. Der Betroffene erlebt damit eine lebenslange symbiotische Verstrickung mit seinen Eltern und in anderen nahen Beziehungen. Vor allem durch die Mutter nicht befriedigte symbiotische Bedürfnisse führen zum Anklammern an andere Personen, zu Schwierigkeiten bei der Gefühlsregulation, nur scheinbarer Autonomie und Misstrauen in Beziehungen. Menschen, die in ihrer Kindheit symbiotisch unterversorgt waren, benutzen z. B. oft Sexualität, um ihre innere Einsamkeit nicht mehr spüren zu müssen. Der Sexualakt kann die Illusion fördern, dass die in der Kindheit nicht erfüllten symbiotischen Wünsche befriedigt werden. Wenn bindungstraumatisierte Kinder ihrerseits zu Eltern werden, steigern sich die Bindungs- und Beziehungsprobleme zwischen Eltern und Kindern oft noch weiter.


Erkennen und Auflösen von symbiotischen Verstrickungen

Laut Franz Ruppert liegt die Schwierigkeit bei Verstrickungen darin, dass sie nicht ohne fremde Hilfe erkannt werden können. Das eigene Erleben und Empfinden ist so, wie man es kennt und wie man es sich von frühester Kindheit an angeeignet hat. Man kennt nichts anderes. Ein bewusstes Überlegen reicht nicht aus, um eine Verstrickung zu erkennen. Aufstellungen sind dafür geeignet, symbiotische Verstrickungen ans Licht zu bringen und aufzulösen (siehe dazu »Mehrgenerationale Psychotraumatologie« bzw. »Aufstellen des Anliegens«).


Ähnliche Ansichten

Der Psychiater und Aufsteller Robert Langlotz vertritt mit seinem Konzept der Verschmelzung oder der malignen Symbiose eine ähnliche Sichtweise. Die Betroffenen sind mit dem Vater oder der Mutter so verbunden, als hätten sie sich nur körperlich von diesem Elternteil getrennt, aber ihre Seele sei noch mit diesem Elternteil verschmolzen. Sie kennen die Gefühle, die Gedanken und Wünsche des Elternteils genau, aber sie haben keinen Zugang zu ihren eigenen Bedürfnissen und ihren eigenen Gefühlen. Eine symbiotische Mutter-Kind-Beziehung bremst die Autonomie-Entwicklung des Kindes, weil es lernt, die eigenen Autonomie-Impulse zu unterdrücken. Die Verschmelzung wird für das Kind zum Modell für spätere Beziehungen, sei es zum Partner, zur Arbeit oder zu den eigenen Kindern.

Die symbiotische Verschmelzung bzw. die Störung der autonomen Wahrnehmung ist für

Langlotz die gemeinsame zentrale Ursache für eine Vielzahl von Störungen, die einer Blockade der Selbstregulation entstammen.

Quellen: 195, 196, 197

Quellenverweise: »Trauma«.

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