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Ursprung des Familienstellens »nach Hellinger«

  • Autorenbild: Pierre & Alexandra Frot
    Pierre & Alexandra Frot
  • 8. Juli 2019
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 10. Juli 2019



Das Familienstellen wurde Mitte der 1980er‑Jahre von Bert Hellinger entwickelt. Es ist jedoch aus verschiedenen familientherapeutischen Richtungen erwachsen. Der Begriff

»Familienaufstellung« selbst wurde schon vor der Entwicklung der Methode Bert Hellingers

benutzt.


Psychodrama von Jakob Moreno

Die Anfänge der Methode des Aufstellens gehen auf den österreichischen Arzt und Psychotherapeuten Jakob Moreno (1889–1974) zurück. Der in Wien geborene und in den USA tätig gewesene Therapeut entwickelte um das Jahr 1930 das sogenannte »Psychodrama«. Er ging davon aus, dass jeder Mensch Teil eines oder mehrerer Sozialsysteme ist, in denen dieser bestimmte Rollen verkörpert. Dadurch entstehen psychische Konflikte (Dramen). Moreno fand heraus, dass die Klienten durch die Reinszenierung dieser Rollen in einer Therapiegruppe ihre Konflikte mit der Umgebung besser verstehen konnten und die Probleme, die in den Beziehungen zu den Mitmenschen und der Kommunikation zwischen ihnen bestanden, lösen konnten. Bei der Reinszenierung bediente Moreno sich neben Requisiten, Gestik und theaterähnlichen Auftritten auch Stellvertretern für die betroffenen Personen und ihre Familienmitglieder aus den Reihen der Gruppenteilnehmer. Moreno stieß bei seiner Arbeit schon auf das Phänomen der Feldwahrnehmung. Er und auch ihm nachfolgende Forscher stellten mit Verwunderung fest,

dass die »Rollenspieler« des Psychodramas in der Rolle »oft über Zeiträume so getreu den

wirklichen Lebensumständen, Verfassungen und Reaktionen dieses anderen bleiben, dass in

objektiver Unkenntnis der Verhältnisse erfolgende Handeln des Psychodrama-Spielers oft

kaum zu begreifen ist«.


Familienskulpturen von Virginia Satir

Ein wesentlicher Baustein für die Weiterentwicklung der Methodik der Familienaufstellung

ist die im Jahr 1969 in die Fachwelt eingeführte Familienskulptur von Virginia Satir (1916–

1988). Sie ist eine der bekanntesten amerikanischen Therapeutinnen des 20. Jahrhunderts

und Mitglied des Mental Research Institute (bekannt als »Palo Alto Gruppe«). Bei dieser

Methode werden Familienmitglieder gebeten, ihre Beziehungen zueinander als Skulptur (ein

statisches Bild) darzustellen. Die Kommunikations- und Beziehungsmuster werden dabei

durch Gesten, Körperbilder oder durch Nähe bzw. Distanz ausgedrückt. Die Skulptur zeigt

als Demonstration von Verhaltensweisen die Kommunikation in der Familie viel genauer als

eine rein verbale Beschreibung und macht darüber hinaus vergangene Erfahrungen in der

Gegenwart lebendig. Diese Technik ermöglicht es Klienten auch heute noch, Familienbeziehungen nonverbal darzustellen und diese zu erkennen. Widersprüche oder Abweichungen zwischen dem, was körperlich gezeigt und dem, was gesagt wird, können reflektiert werden. Anhand der dargestellten Konstellation kann sich der Therapeut ein Bild von dem sozialen Gefüge machen, in dem sein Klient lebt und von dem er beeinflusst wird. Gleichzeitig ist es dem Klienten möglich, innerhalb dieses nun sichtbar gemachten Beziehungsgeflechts sogleich eine Reaktion auf sein Verhalten zu erfahren, die anschließend

auf der verbalen und emotionalen Ebene hinterfragt werden kann.


Mehrgenerationenperspektive von Iván Böszörményi-Nagy

In der Mehrgenerationenperspektive wird davon ausgegangen, dass in der Kernfamilie beobachtbare Störungen und Konflikte oft schon in den Herkunftsfamilien der Eltern angelegt und vorgeformt sind. Als generationenübergreifendes Bindeglied dient dabei das »Familiengefühl«. Die individuelle Entwicklung des Familiengefühls geht einher mit dem Erwerb eines inneren Bildes der Familie als Ganzes, mit dem sich das Kind aktiv nach und nach über die Beziehung zu seinen primären Bezugspersonen identifiziert. Im Buch von Böszörményi-Nagy »Unsichtbare Bindungen« werden vertiefte Einsichten in die Wirkung von Bindungsprozessen über Generationen, von Ausgleichsprozessen in Familien und Sippen und von Übernahmen von Aufträgen gegeben. All dies sind Konzepte, die von Bert Hellinger übernommen wurden.


Hypnotherapie von Milton Erickson

Die Möglichkeiten der Sprache – in Form von kurzen Metaphern, hypnotisch wirkenden Sätzen und bildhaften Äußerungen – zum Erreichen der im Unbewussten liegenden Persönlichkeitsanteile, erkannte der amerikanische Psychiater Milton Erickson (1901–1980). Heute nutzen viele Aufsteller diese Erkenntnisse und Verfahrensweisen bei ihrer Arbeit. Das präzise Wahrnehmen nonverbaler Kommunikation, die zur hypnotherapeutische Arbeit gehört, ermöglicht auch die Unterscheidung zwischen vordergründigen Mitteilungen und solchen, die aus den tiefer liegenden Ebenen der Psyche stammen und die der unsichtbaren Struktur familiärer Verstrickungen entsprechen.


Die Entstehung des Familienstellens »nach Hellinger«

Auf all diesen Ansätzen (und vielen weiteren) basiert die Arbeit Bert Hellingers, des Begründers der Familienaufstellung. Für seinen Ansatz veränderte er die bisherige therapeutische Verfahrensweise:

  • Er machte die Feldwahrnehmung der Stellvertreter zum Grundstein der Aufstellungsarbeit.

  • Er sah grundlegende Übereinstimmungen in den Strukturen von Familiensystemen. So kam er zu Aussagen, nach welchen Gesetzmäßigkeiten Familiensysteme (siehe dazu »Ordnungen der Liebe« bzw. »Ordnungen des Helfens«) funktionieren, welche Dynamiken in ihnen wirken und wie eine schicksalhafte Verstrickung gelöst werden kann.

  • Er reduzierte die Anamnese des Klienten drastisch und die Beschreibung seines Problems auf das »Wesentliche«.

  • Die kommunikative Funktion der räumlichen Zusammenhänge wurde durch den äußerst sparsamen Einsatz von inszenatorischen Mitteln (Gestik, Mimik) unterstrichen.

  • Er überließ dem Ratsuchenden die volle Verantwortung für das Annehmen der Aufstellungsergebnisse. Die Therapeuten-Rolle lehnte er konsequent ab, wenn ihm der Ratsuchende diese anbot.

  • Er übertrug die Therapie auf eine reine phänomenologische Ebene – »annehmen, was ist.«

Quellen: 220

Querverweise: »Entwicklung des Familienstellens«, »Hellinger, Bert«

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