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Versöhnung & Verzeihen

  • Autorenbild: Pierre & Alexandra Frot
    Pierre & Alexandra Frot
  • 8. Juli 2019
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 10. Juli 2019



Versöhnung

Die Versöhnung mit den Eltern, mit ausgeschlossenen Systemmitgliedern, zwischen Partnern, mit sich selbst oder mit seinem eigenen Schicksal wird von vielen Aufstellungsleitern »nach Hellinger« als das ultimative Ziel der Aufstellungsarbeit

betrachtet. Eine Versöhnung ist auch ein unentbehrlicher Schritt zur Lösung einer Täter-Opfer-Dynamik. Eine Aufstellung »nach Hellinger« sollte immer mit einer Lösung enden, die allen Beteiligten ihre Würde lässt und die die Liebe zwischen den Systemmitgliedern fließen lässt. Dies gilt auch für die Täter und die Schuldigen. Es geht deswegen bei einer Versöhnung nicht darum, schuldig oder unschuldig zu sein. Aus Sicht Bert Hellingers ist ein Täter verstrickt, er ist nicht frei. Es war sein Schicksal, zum Täter zu werden, und es war das Schicksal des Opfers, zum Opfer zu werden. Systemisch gesehen ist keiner »besser« oder »schlechter«. Sowohl Täter als auch Opfer wurden in einen Dienst genommen, den sie nicht

verstehen. Bert Hellinger sagt dazu: »Die Versöhnung zwischen dem Mörder und dem Opfer ist der Prototyp jeder Versöhnung. Hier erst zeigt sich, was Versöhnung am Ende bedeutet. Es ist die Versöhnung, bei der Schuld keine Rolle mehr spielt, bei der es keine Bösen und Guten mehr gibt, keine Täter und keine Opfer, bei der es vor einer größeren Macht nur solche gibt, die in diesem Konflikt und durch diesen Konflikt von ihr in den Dienst genommen worden waren.« Wenn es zu einer wirklichen Versöhnung kommen soll, hat das Opfer nicht nur das Recht auf eine Wiedergutmachung, es hat auch die Pflicht, diese zu fordern. Und der Schuldige hat nicht nur die Pflicht, die Folgen seiner Tat zu tragen, er hat auch das Recht dazu. Eine Versöhnung bedeutet aber auch, dass das Opfer mit seinen

Forderungen nicht an die äußerste Grenze geht und dass es den Ausgleich und die Sühne,

die vom Täter angeboten werden, annimmt. In der Praxis kann man besonders bei Ehe- und

Partnerkrisen häufig beobachten, dass die Versöhnung nicht am Täter, sondern am Opfer

scheitert. Es ist verärgert, fühlt sich überlegen und weist den Schuldigen häufig zurück. Um als Partner wieder ebenbürtig werden zu können, muss der Täter aber aus dem »Kriechgang« wieder in eine aufrechte Position kommen dürfen. Wer ihm das verweigert, zerstört die Beziehung.


Verzeihen

Verzeihen oder Vergeben im christlichen Sinne wird in Familienaufstellungen als Akt der

Überheblichkeit abgelehnt. Denn verzeihen bedeutet, eine Schuld zu erlassen. Das kann aber nur derjenige tun, der moralisch überlegen ist. Das Opfer sagt damit den Täter: »Ich bin größer als du und so gut, dass ich dir sogar verzeihen kann.« Das Verzeihen ist daher systemisch gesehen ein falscher Ansatz für den Umgang mit Schuld. Es verhindert die Ebenbürtigkeit in der Beziehung und schafft ein Gefälle von oben nach unten. Ein neuer Anfang ist nur möglich, wenn Täter und Opfer sich wieder auf Augenhöhe begegnen. Die Schuld wird durch das Verzeihen auch damit nicht gesühnt, sie wird nur verdeckt. Wirkliche Versöhnung erfolgt hingegen nur über den Anspruch auf Wiedergutmachung und deren Ableistung. Deswegen darf niemals einem Systemmitglied ausdrücklich verziehen oder vergeben werden. Damit würde die Ordnung gestört, das Problem aber nicht gelöst werden. Besonders schlimm wirkt sich Verzeihen aus, wenn der Schuldige um Verzeihung bittet. Damit schiebt er dem anderen die Verantwortung für seine Schuld zu. Ähnlich ist es auch, wenn jemand beichtet. Er schiebt dem anderen die Folgen seines Verhaltens zu. »Es tut

mir leid« zu sagen, ermöglicht es dem anderen viel eher, auf den Täter zuzugehen, als wenn ihn dieser um Verzeihung bittet.


Kritische Stimmen

Die von Bert Hellinger geforderte rituelle Versöhnung mit dem Erzeuger oder dem Täter

gilt als sehr umstritten, vor allem wenn es um so schwerwiegende Themen wie Inzest oder um Vergewaltigungsopfer und -täter geht. Hellinger betont aber, wie wichtig und weitreichend diese Versöhnung, dieses Hinschauen für den Teilnehmer ist. Ohne Versöhnung mit dem Täter bleibt z. B. die Bindung zwischen Täter und Opfer erhalten und macht somit alle weiteren Beziehungen mit anderen unmöglich. Ohne Versöhnung mit den Eltern bleibt die Tür zu weiterem inneren Wachstum oft verschlossen.


Quellen: 230

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